Drehbuch - "Zirkus Konzentrazani"

 

 basierend auf einer wahren Begebenheit im KZ Börgermoor, 1933

                Entstehung des berühmten "Moorsoldatenliedes"

                                    

                                      (Exposé in English scroll down!)

 

 

 

 

 

L a g e r l i e d

 

 

  Drehbuch

 

 von

 

Udo Brückmann

 

und

 

Volker Hedemann

 

 

 

 nach dem Roman der beiden Autoren

 "Zirkus Konzentrazani"

 

 

 ROLLEN

 

Richard Immenroth

 

Georg Heuer

 

Gustav Rimbeck

 

Kommandant Josef Tangermann

 

SS-Scharführer Lothar Griesbach

 

Truppführer Horst Schellhorn

 

SS-Mann Hans Dieter Rehm, genannt "Zachel"

 

Samuel, jüdischer Häftling

 

Ex-Minister Wilhelm Hegedorn

 

Mutter mit Kuchen

 

drei Söhne

 

Direktor Konzentrazani

 

fünf Musiker der Schrammelkapelle

 

Clown/ Eisverkäufer

 

zwei "dumme Auguste"

 

zwei Keulenschwinger

 

sechs "Tiere"

 

Alfred und Franz, "Boxer"

 

"Ringrichter" Otto

 

Sanitäter "Pinsel"

 

zwei Witze-Erzähler

 

Puppenspieler mit dem "Storch"

 

fünf "Moorgirls"

 

40-köpfiger Chor mit Dirigent (aus den Reihen der Häftlinge)

 

zahlreiche SS-Leute und KZ-Häftlinge

 

etwa 30 Ehefrauen und Mütter von Häftlingen

 

 

 

 

 

BILD 1

 

INNEN/NACHT, IN DER BARACKE 10

 

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Auf einem Holztisch — beleuchtet von einer einzigen Glühbirne — liegen mehrere Schwarz-Weiß-Fotos mit Familienaufnahmen.

 

Nun sind schwielige Männer-Hände zu sehen, die weitere Fotos auf den Tisch legen oder auf andere Fotos zeigen.

 

 

VERSCHIEDENE STIMMEN (off):

 

Vier Kinder! Das hätt' ich dir gar nicht zugetraut!

 

Also, deine würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen!

 

Und deine steht aber gut im Futter!

 

Und erst die Beine!

 

 

Plötzliches Schweigen. Lautes, derbes Gegröle von draußen dringt in den Raum. Zehn Männer, die in ihren grünen Uniformen an dem Holztisch sitzen oder stehen, greifen eilig nach den Fotos, stecken sie ein und verlassen den Tisch. Nur Richard Immenroth, Georg Heuer und Gustav Rimbeck bleiben sitzen.

 

Ein lauter Knall, eine Tür fliegt auf: Vier SS-Leute treten ein, mit SS-Scharführer Lothar Griesbach an der Spitze. Sie gehen auf den Tisch zu und schlagen den drei Männern brutal ins Gesicht.

 

 

GRIESBACH:

 

Was ist denn das für ein Sauhaufen?

 

(zu Georg:)Bist du hier der Stubenälteste?

 

 

GEORG:

 

Aach-tuung!

 

 

GRIESBACH:

 

Ja, jetzt ist es auch zu spät, du Blödmann!

 

 

Griesbach dreht sich um und geht mit den anderen SS-Leuten durch die Baracke, offenbar angetrunken.

 

Neben zahlreichen Tischen und Bänken an einer Seite des Raumes sind gegenüber Etagenbetten zu sehen, dazwischen hohe Spinde, kleine Fenster.

 

 

GRIESBACH (nun etwas lallend):

 

Seid froh, dass ich so gute Laune hab'! Bin heute wieder Vater geworden, das vierzehnte Kind für den Führer!

Ihr müsst nämlich wissen, bei mir sitzt jeder Schuss!

 

 

Die SS-Männer zerren willkürlich Häftlinge aus den Betten, treten und verprügeln sie.

 

 

 

 

 

BILD 2

 

AUSSEN/TAG, AUSSERHALB DES KZ-GELÄNDES

 

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Mit geschulterten Spaten, in alten grünen Schupo-Uniformen, mit Mützen und in Holzschuhen ziehen hunderte von Häftlingen — flankiert von schwarz gekleideten SS-Wachposten — durch das Lagertor hinaus, vorbei an SS-Baracken, Kommandantur und Fahnenmast mit Hakenkreuzfahne.

 

Truppführer Horst Schellhorn läuft an der Spitze.

 

 

SCHELLHORN (brüllt):

 

Und jetzt das Lied!

 

 

HÄFTLINGE (laut singend):

 

Lore, Lore, Lore, Lore, schön sind die Mädchen mit siebzehn achtzehn Jahr. Lore, Lore, Lore, Lore, schöne

Mädchen gibt es überall.

 

 

Die Gruppe verschwindet langsam am Horizont der flachen Landschaft.

 

 

 

 

 

BILD 2A

 

AUSSEN/TAG, IM MOOR

 

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Zahlreiche SS-Leute bilden eine Kette im Moor und um die Gräben herum, in denen die Häftlinge arbeiten.

 

Der Arbeitsalltag wird gezeigt: Spatenstiche, Torfstapel, Holzschuhe im Matsch, braune und öde Moorlandschaft, sengende Sonne, schwitzende Körper.

 

 

 

 

 

 BILD 3

 

INNEN/ABEND, IN DER BARACKE 10

 

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Die Baracke ist überfüllt mit Häftlingen. Richard sitzt am Tisch und ist von Kameraden umringt, darunter auch Georg und Gustav.

 

 

RICHARD (zitiert Friedrich Schiller):

 

Die Welt, verwandelt durch den Fleiß,

 

Das Menschenherz bewegt von neuen Trieben,

 

Die sich in heißen Kämpfen üben,

 

Erweitern euren Schöpfungskreis.

 

Der fortgeschrittne Mensch trägt auf erhobnen Schwingen

 

Dankbar die Kunst mit sich empor,

 

Und neue Schönheitswelten springen

 

Aus der bereicherten Natur hervor.

 

 

Die Häftlinge in der Baracke applaudieren. Zustimmendes Nicken.

 

 

RICHARD (zitiert Heinrich Heine):

 

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,

 

Wo nur gedeihen Schmach und Schande,

 

Wo jede Blume früh geknickt,

 

Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt —

 

Wir weben, wir weben!

 

 

Der Vortragsabend wird dadurch gestört, dass wieder SS-Leute in die Baracke eindringen.

 

Kommandant Josef Tangermann, leicht hinkend, an einem Bein einen Stiefel, am anderen Bein einen Holzschuh, wird von zwei Adjutanten begleitet.

 

 

GEORG:

 

Aach-tuung! Genehmigte Kulturveranstaltung in Baracke 10,anwesend 300 Häftlinge, keine besonderen Vorkommnisse.

 

 

TANGERMANN (mit sonorer Stimme):

 

Wollte mal sehen, was ihr so treibt. Nicht, dass ihr hier auf dumme Gedanken kommt! Guckste durch?

 

 

Der Kommandant inspiziert die Menge und erblickt Richard an dem mit Papieren und Büchern bedeckten Tisch.

 

 

TANGERMANN:

 

Das hätt' ich mir ja denken können! Der Schauspieler!

 

 

Der Kommandant tritt an den Tisch und sieht sich einige Bücher an.

 

 

TANGERMANN:

 

Heine! Schiller! Na, gut! Aber — 'Droste-Hülsenhoff'? Ist das ein Schmierfink aus euren kommunistischen Kreisen? Schauspieler! Lies' mal vor! Vielleicht muss ich das ja verbieten!

 

 

RICHARD (angespannt, zitiert Annette von Droste-Hülshoff):

 

O schaurig ist's übers Moor zu gehen,

 

Wenn es wimmelt vom Heiderauche,

 

Sich wie Phantome die Dünste drehn

 

Und die Ranke häkelt am Strauche.

 

 

TANGERMANN (unterbricht Richard):

 

Mann, da grabt ihr Tag für Tag im Moor und jetzt stopft ihr euer Gehirn auch noch mit so'm Mist voll! Na ja, mir soll's recht sein. Guckste durch?

 

 

 

 

 

BILD 4

 

AUSSEN/TAG, LAGERSTRASSE

 

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Mehrere Häftlinge stehen in Gruppen zusammen.

 

SS-Mann Hans Dieter Rehm, genannt "Zachel" (= Messer), zwei SS-Leute und Samuel, ein junger Jude, schreiten gemächlich die Lagerstraße entlang.

 

 

ZACHEL (mit einem teuflichen Grinsen zu Samuel):

 

Gefällt dir die Reise?

 

 

SAMUEL:

 

Oh ja! So schön hab' ich mir das alles gar nicht vorgestellt!

 

 

Samuel bleibt stehen und blickt sich staunend um. Sein Gesicht ist zerschlagen und leuchtet grün und blau in der Sonne. Ein Auge ist aufgequollen, die Lippen sind aufgesprungen, der Schädel ist rasiert.

 

 

ZACHEL (zeigt mit seinem Finger):

 

Schau' dort drüben! Dort steht eure Synagoge! Ist die nicht großartig?

 

 

Samuel nickt heftig und rollt mit den Augen, die einen irren Ausdruck haben. Er fällt auf die Knie und beginnt zu beten.

 

 

ZACHEL:

 

Wollen wir noch einen Abstecher nach Jerusalem machen?

 

 

Samuel steht mühsam auf und kann sich kaum auf den Beinen halten. Zachel nimmt ihn in den Arm.

 

 

ZACHEL:

 

So, mein Freund, jetzt gehen wir weiter durch die ViaDolorosa!

 

 

Zachel und Samuel machen halt vor einer Häftlingsgruppe, die wie angewurzelt dasteht.

 

 

ZACHEL:

 

Dies sind arme Bettelmönche. Sie ernähren sich nur von Graupensuppe, hüllen sich in Lumpen und wollen nur

arbeiten und beten. Sie sind Vorbilder für uns alle.

 

 

Die beiden SS-Männer biegen sich vor Lachen.

 

 

SAMUEL (gibt einem Häftling die Hand und verneigt sich demütig):

 

Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen!

 

 

Zachel geht mit Samuel weiter auf den vierfachen Stacheldrahtzaun zu, der das gesamte Lager umgibt.

 

 

ZACHEL:

 

Na, mein Junge! Hast du dir die Klagemauer so riesig vorgestellt?

 

 

Samuel berührt tief ergriffen den Stacheldraht. Blut läuft über die Handflächen und Arme. Er legt die Hände zusammen und verbeugt sich mehrmals hintereinander.

 

 

SAMUEL (mit einer Träne im Auge):

 

Das ist das Schönste, was ich in meinem Leben je gesehen habe!

 

 

ZACHEL:

 

So, genug jetzt. Die Reise ist vorbei.

 

 

DIE ZWEI SS-MÄNNER (außer sich):

 

Weiter! Weiter!

 

 

Zachel wirft den Männern einen kurzen, kalten Blick zu. Sofort verstummen sie, packen Samuel und führen ihn in die Arrest-Baracke am Ende der Lagerstraße.

 

 

ZACHEL (sieht Richard und geht auf ihn zu):

 

Na, Schauspieler! Gute Vorstellung, was? Demnächst werden wir einem von euch Moskau zeigen.

 

 

Zachel versetzt Richard einen heftigen Schlag in die Magengrube. Richard stöhnt auf und sackt kurz zusammen.

 

Zachel geht festen Schrittes zurück in Richtung Kantine, außerhalb des Stacheldrahtzauns.

 

 

 

 

 

BILD 5

 

AUSSEN/TAG, KZ-GELÄNDE

 

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Zehn Häftlinge laufen auf der Lagerstraße, zwei von ihnen unterhalten sich.

 

 

HÄFTLING 1:

 

Für welchen Kurs hast du dich denn angemeldet?

 

 

HÄFTLING 2:

 

Ich wollte schon immer Esperanto lernen, das geht morgen Abend los.

 

 

HÄFTLING 1:

 

Bei mir steht Englisch auf dem Programm!

 

 

Der eine Häftling stupst den anderen an. Ein Bus hält ca. 300 Meter vor dem Lager. Etwa dreißig Frauen steigen aus, stehen in Gruppen zusammen, vorsichtig, unsicher.

 

 

HÄFTLING 1 (ungläubig):

 

Guck' mal da hinten!

 

 

HÄFTLING 2 (schreit):

 

Unsere Frauen sind da! Unsere Frauen sind da!

 

 

Die Gefangenen drängen aus den Baracken. Die SS hat zunehmend Schwierigkeiten, die Lage zu kontrollieren.

 

 

SS-MANN (ruft):

 

Was ist denn das für ein Aufruhr hier? Ihr werdet ja ganz wild beim Anblick von Röcken!

 

 

Unzählige Häftlinge drängen an den Stacheldrahtzaun, während sich die Frauen dem Lagertor nähern; die meisten davon mit Paketen und Körben in den Händen.

 

Stimmengewirr unter den Häftlingen.

 

 

VERSCHIEDENE HÄFTLINGE (laut):

 

Mutter! Mutter! Hier — hier bin ich!

 

Charlotte! Wo bist du? Bist du da?

 

Marianne! Ich werd' verrückt! Seht doch! Meine Frau!

 

 

Viele weitere Stimmen schwirren durch die Luft.

 

 

 

 

 

BILD 5A

 

AUSSEN/TAG, VOR DEM LAGERTOR

 

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Einige Häftlinge erkennen ihre Angehörigen vor dem Lagertor, scharf bewacht von der SS.

 

Eine Mutter stellt einen Korb auf den Boden. Sie umarmt und tätschelt immer wieder ihre drei Söhne. Diese müssen sie stützen. Mit Tränen in den Augen dreht sich einer der Söhne abrupt zur Seite und stößt dabei den Korb um. Mehrere Kuchenstücke fallen in den Dreck. Die Mutter bückt sich hinunter und versucht wie von Sinnen, die Kuchenstücke von dem Schmutz zu säubern. Die Söhne schauen fassungslos zu.

 

Ein Pfiff ertönt. SS-Scharführer Griesbach erscheint mit einem Schäferhund an der Leine.

 

Andere Häftlinge und ihre Angehörigen sind nun zu sehen.

 

 

GRIESBACH (zu einigen Frauen):

 

So, das war's jetzt! Die Besuchszeit ist zu Ende. Ihr habt ja nun gesehen, dass eure Männer hier gut aufgehoben sind!

 

 

Die Mutter lässt die Kuchenstücke erschrocken fallen und umarmt wieder ihre drei Söhne. Ein SS-Mann reißt sie gewaltsam auseinander. Die Mutter wird von anderen Frauen gestützt und zum Bus begleitet.

 

Die drei Brüder bleiben wie angewurzelt stehen und blicken ihrer Mutter hinterher.

 

 

STIMMEN (off):

 

Wie geht es meiner Schwester? Geht es ihr gut?

 

Was macht der Kleine?

 

Wenn du Geld brauchst, wende dich an Vater!

 

 

 

 

 

 BILD 6

 

INNEN/ABEND, IN DER BARACKE 10

 

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Viele Häftlinge drängen sich um einen Tisch. Der Stubenälteste Georg Heuer legt darauf ein Leinenbündel und schüttet ihn aus. Zigaretten, Pfeifen und verschiedene Tabaksorten kommen zum Vorschein. Die Häftlinge stürzen sich auf die Rauchwaren. Die Zigaretten werden sofort angezündet, die Baracke vom blauen Dunst eingenebelt.

 

Entspannte Gesichter, Lachen, Gemurmel.

 

 

Ein Häftling legt seine Füße auf den Tisch und zieht genüsslich an seiner Zigarette.

 

 

HÄFTLING:

 

Und jetzt noch'n frisch gezapftes Bier!

 

 

 

 

 

BILD 6A

 

INNEN/ABEND, IN DER BARACKE 10

 

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Fast alle Häftlinge suchen für den übrig gebliebenen Tabak verschiedene Verstecke in der Baracke: Unter den Holzdielen des Fußbodens, hinter den Spinden, auf den Dachbalken, in der Kleidung.

 

 

GEORG (streng):

 

Leute, es hilft alles nichts! Ich muss das Zeug jetzt wieder abliefern. Also legt es hier auf den Tisch. Auch,

wenn's schwer fällt.

 

 

Nach und nach legen einige Kameraden Tabakreste auf den Tisch. Georg schaut ungläubig auf den kleinen Haufenaus Tabak und Zigaretten.

 

 

GEORG:

 

Das glaubt uns doch kein Mensch!

 

 

Heuer schaut verärgert in die Runde, aber die Kameraden bleiben stur.

 

 

GEORG:

 

Ihr wisst hoffentlich, welche Konsequenzen das haben kann!

 

 

Resigniert steckt Georg die Tabakreste in den Leinenbeutel und verlässt die Baracke.

 

 

 

 

 

BILD 7

 

INNEN/NACHT, IN DER BARACKE 10

 

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Die Barackentür fliegt auf. Das Licht geht an. Schwere Stiefelschritte. Zehn SS-Männer stürmen in den Raum. Kurz danach betritt Kommandant Tangermann die Baracke.

 

 

TANGERMANN (aufgebracht):

 

Raus aus den Betten, ihr dreckigen Schweine!

 

 

Die SS-Männer öffnen die Spinde, werfen alle Gegenstände auf den Boden, tasten die Betten ab und hebeln Holzdielen mit den Bajonetten auf. Die Häftlinge werden geschlagen und getreten. Schmerzensschreie.

 

Durch die offene Tür sieht man draußen im Scheinwerferlicht eine Formation aus vielen SS-Leuten mit Karabinern im Anschlag.

 

 

EIN SS-MANN (mit Tabak in der Hand):

 

Herr Kommandant, wir haben hier etwas gefunden!

 

 

EIN WEITERER SS-MANN (ebenfalls mit Tabakresten in der Hand):

 

Wir auch! Hinter dem Spind!

 

 

Tangermann zieht zornig seine Pistole aus der Tasche.

 

 

TANGERMANN:

 

Mir reicht's! Wir machen jetzt kurzen Prozess! Und dann Rübe ab!

 

(Der Kommandant wischt sich den Schweiß von der Stirn): Angetreten! Bevor ich mich vergesse!

 

 

 

 

 

BILD 7A

 

AUSSEN/NACHT, VOR DER BARACKE 10

 

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Auf der Lagerstraße vor der Baracke 10 richten die Soldaten der Wachmannschaft ihre Gewehre auf die geöffnete Barackentür.

 

Zwanzig SS-Männer bilden ein Spalier, jeder mit einer Holzlatte bewaffnet. Die Holzlatten sind mit langen, rostigen Nägeln bestückt.

 

SS-Mann Hans Dieter Rehm betritt die Szene.

 

 

ZACHEL (laut):

 

Nach draußen mit euch!

 

 

Die Häftlinge rennen und stolpern zur Tür hinaus. Schützend halten sie ihre Hände über den Kopf. Die Holzlatten klatschen auf die fast nackten Körper, während sich die Nägel in das Fleisch bohren. Es gibt auch Schläge auf die Füße.

 

Nacheinander muss jeder Häftling diese Tortur über sich ergehen lassen. Viele können sich kaum mehr auf den Beinen halten.

 

Tiefe Risswunden, strömendes Blut, Schreie.

 

 

ZACHEL (laut):

 

Haltung, ihr Schwächlinge! Oder wollt ihr etwa nochmal den Spaß genießen?

 

 

Mühsam stellen sich die Häftlinge nebeneinander in Reih' und Glied.

 

Tangermann kommt aus der Baracke auf sie zu.

 

 

TANGERMANN (schreit):

 

Meinetwegen könnt ihr bis morgen früh hier stehen — oder bis nächste Woche. Guckste durch?

 

 

 

 

 

BILD 8

 

AUSSEN/TAG, IN DER NÄHE DES LAGERS

 

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Die Kameraden marschieren in Zweier-Reihen — begleitet von der SS — zurück ins Lager, an der Spitze Truppführer Schellhorn.

 

 

HÄFTLINGE (laut singend):

 

Und kommt der Frühling in das Tal,

 

Grüß' mir die Lore noch einmal,

 

adé, adé, adé.

 

Ta-ra-la-la, ta-ra-la-la...

 

 

Viele Häftlinge haben sichtbare Spuren von Verletzungen an den Händen und in den erschöpften Gesichtern.

 

 

 

 

 

 BILD 9

 

INNEN/ABEND, IN DER BARACKE 10

 

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Häftlingskleidung hängt zum Trocknen an den Dachbalken.

 

Richard sitzt allein an einem Tisch und grübelt. Vor ihm liegt ein leerer Zettel und ein Bleistift.

 

Georg und Gustav betreten die Baracke und setzen sich zu Richard.

 

 

RICHARD (blickt auf):

 

So kann das nicht weitergehen. Wir sollten 'was machen, 'was ganz Großes! Sonst gehen wir kaputt!

 

 

GEORG (nickt):

 

Da hab' ich auch schon drüber nachgedacht. Diese miese Stimmung ist ja nicht mehr auszuhalten!

 

 

RICHARD:

 

Ja, stimmt! Die Jungs hier haben alle keine Hoffnung mehr. Selbst der letzte Funke scheint ihnen aus dem Leib

geprügelt!

 

 

Richard blickt nachdenklich auf den leeren Zettel. Immer mehr Kameraden treten an den Tisch heran.

 

 

EIN HÄFTLING:

 

Worüber brütest du denn nach? Hast du einen Weg nach draußen gefunden?

 

 

EIN ANDERER HÄFTLING:

 

Aber einen Tunnel nach Holland grabe ich nicht! Vom Buddeln im Matsch hab' ich nämlich die Schnauze voll!

 

 

Schmunzeln.

 

 

GEORG (lächelt):

 

Ich glaub', der hat 'was anderes vor: Der schreibt bestimmt ein Theaterstück — und will mit uns auf Tournee

gehen!

 

 

EIN WEITERER HÄFTLING:

 

Tangermann wäre sicher stolz auf uns! Doch ich hab' keine Lust, in irgendwelchen Provinznestern zu spielen —

wie in Dachau oder Esterwegen...

 

 

Großes Gelächter.

 

 

EIN HÄFTLING:

 

Lasst uns in München anfangen, da war ich noch nie!

 

 

 EIN WEITERER HÄFTLING:

 

In diese braune Stadt setzte ich keinen Fuß!

 

 

WIEDER EIN ANDERER HÄFTLING:

 

Und nach Hamburg müssen wir! Und dann so'n richtigen sauren Hering auf'm Fischmarkt!

 

 

NOCH EIN ANDERER HÄFTLING:

 

Und dann nach Berlin! Mensch, mal wieder so 'ne fette Boulette essen!

 

 

RICHARD (genervt):

 

Nun ist aber gut! Morgen gibt's wieder Graupensuppe, so sieht's aus!

 

 

GEORG:

 

Genau! Richtig! Wir sind Kommunisten und müssen uns der Realität stellen!

 

 

GUSTAV (mischt sich ein):

 

Man wird doch noch mal träumen dürfen, ohne gleich ein Abtrünniger des Proletariats zu sein.

 

 

EIN HÄFTLING:

 

Immer dieses Gequatsche! Haben wir nicht andere Probleme? Wir müssen 'was tun!

 

 

EIN WEITERER HÄFTLING (salutiert):

 

Jawohl, Herr Lenin! Genau so machen wir's!

 

 

Gelächter.

 

 

RICHARD (laut):

 

Das mit dem Theater ist schon gar nicht so schlecht.

 

 

Gelächter ebbt ab, zweifelnde Blicke.

 

 

EIN HÄFTLING:

 

Also, ich bin ein ziemlich guter Sänger!

 

 

EIN ANDERER HÄFTLING:

 

Und ich ein guter Tänzer!

 

 

WIEDER EIN ANDERER HÄFTLING:

 

Wenn du einen Akrobaten brauchst, bin ich zur Stelle!

 

 

NOCH EIN ANDERER HÄFTLING:

 

Ich kann sogar ein bisschen jonglieren!

 

 

RICHARD (schaut vom Zettel auf):

 

Da ist die Besetzungsliste ja schon beinahe voll!

 

 

GUSTAV:

 

Nach Theater klingt das aber irgendwie nicht. — Das klingt eher nach Zirkus!

 

 

RICHARD (strahlt):

 

Das ist es!

 

 

Immenroth nimmt den Bleistift und beginnt wie besessen damit, den Zettel vollzuschreiben. Richard schaut immer wieder hoch.

 

 

RICHARD (murmelt vor sich hin):

 

Ein Zirkus für alle. Wir brauchen eine Manege. Proben, Requisiten. Musik...

 

(Richard legt den Bleistift zur Seite):

 

Und wir nennen es — 'Zirkus Konzentrazani'!

 

 

 

 

 

BILD 10

 

INNEN/TAG, KOMMANDANTUR

 

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Die zehn Stubenältesten des Lagers stehen vor dem Schreibtisch, an dem Kommandant Tangermann sitzt. Hinter ihm stehen fünf SS-Männer in strammer militärischer Haltung. Im Hintergrund sind eine Hakenkreuzfahne und ein Porträt von Hitler zu sehen. Man hört das Rattern eines Fernschreibers.

 

Die Tür geht auf, zwei SS-Männer stoßen Richard in den Raum hinein.

 

 

TANGERMANN:

 

Hoppla! Wir haben doch wohl nicht getrunken, wie?

 

 

Die SS-Männer lachen laut auf.

 

 

TANGERMANN (zeigt auf die Stubenältesten):

 

Diese Herren, Herr Schauspieler, meinen, dass die Häftlinge mit ihrer Arbeit im Moor nicht ausgelastet sind.

Oder wie darf ich das verstehen, dass ihr jetzt alle auch noch beim Zirkus arbeiten wollt?

 

 

Richard schaut überrascht in die Runde.

 

 

TANGERMANN (fixiert Richard mit den Augen):

 

Ihr habt drei Wochen Zeit. Ich beneide dich nicht um diese Aufgabe. Sollte das Ganze in die Hose gehen, dann

werden wir euch allen mal zeigen, was wir von einer guten Vorstellung verstehen.

 

 

Böses Gelächter der SS-Leute begleitet die Häftlinge nach draußen. Richard und Georg schauen sich an. Ihre Gesichter hellen sich langsam auf.

 

 

 

 

 

 BILD 11

 

INNEN/ABEND, BÜRO DER LAZARETT-BARACKE

 

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Während des Komponierens murmelt Gustav die Melodie des Lagerliedes ('Moorsoldatenlied') vor sich hin. Auf seinem Schoß liegt eine Gitarre.

 

Die Tür des kleinen Raumes geht auf. Das Wehklagen aus der Lazarett-Baracke bildet die Geräuschkulisse.

 

 

STIMME (off):

 

Kannst du denn nicht aufpassen? Immer musst du so viel Jod auftragen!

 

 

GUSTAV (ruft):

 

Lasst mal den 'Pinsel' in Ruhe, der macht das schon!

 

 

RICHARD (betritt das Zimmer):

 

Na, hast du dich schon mit den Sanitätern angefreundet? — Wie weit bist du denn jetzt?

 

 

GUSTAV (grinsend):

 

Morgen kannst du dir das fertige Lied abholen. Ich glaube, es ist ganz gut geworden.

 

 

RICHARD:

 

Da hab' ich bei dir gar keine Bedenken!

 

 

GUSTAV:

 

Warte erst mal ab, wie es die Kameraden finden.

 

 

 

 

 

BILD 12

 

AUSSEN/TAG, LAGERSTRASSE, LAGERPLATZ

 

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Ein heißer Sonntag im Konzentrationslager Börgermoor.

 

Ein Häftling geht die Lagerstraße entlang und trägt ein großes Papp-Plakat in seinen Händen. Darauf ist ein breit lachendes Clownsgesicht zu sehen; der Text darauf kündigt den Zirkus an.

 

 

HÄFTLING (laut):

 

Zirkus Konzentrazani! Zirkus Konzentrazani! Große Vorstellung auf dem Lagerplatz, Sensationen, Sensationen!

Beginn: 14.30 Uhr, Riesen-Tierschau, die größten Ochsen der Welt!

 

 

Der Häftling läuft die Lagerstraße entlang (auf die Kamera zu, aus dem Bild hinaus, auch wenn man in Drehbüchern keine Kamera-Angaben machen soll), während gleichzeitig im Hintergrund hunderte von Häftlingen beinahe geräuschlos mit Bänken und Schemeln zum Lagerplatz ziehen, der jetzt eine Manege ist. Das Baracken-Mobiliar bildet nun die Zirkus-Tribüne.

 

Gegenüber, auf der anderen Seite der Manege, ist ein Holztor in die Erde gerammt. Zwei Bettlaken dienen als Vorhang.

 

Hinter dem Vorhang geht Richard Immenroth aufgeregt hin und her. Georg Heuer kommt dazu.

 

 

GEORG:

 

Das läuft doch gut! Wird schon schiefgeh'n, wir haben ja wirklich genug geprobt.

 

 

Georg nimmt Richard in den Arm und spuckt ihm drei mal über die Schulter.

 

 

 

 

 

 BILD 12A

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS (LAGERPLATZ BZW. MANEGE)

 

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Die Zirkus-Tribüne ist mit den Häftlingen fast voll besetzt, nur die 60 Plätze direkt in der Mitte sind noch leer.

 

Die etwa 900 Häftlinge, alle in alten Polizei-Uniformen und durch Gewalt gezeichnet, sitzen schweigsam auf ihren Plätzen und warten.

 

Damm kommen die SS-Männer, an der Spitze Tangermann, Griesbach, Schellhorn und Zachel. Sie nehmen die noch freien Sitzplätze ein. Zachel ist sichtlich angetrunken. Tangermann steht auf und hinkt in die Mitte der Manege.

 

 

TANGERMANN:

 

Wir sind viel zu gut zu euch! Ihr an unserer Stelle hättet uns schon alle umgebracht. Aber in unserer

Großzügigkeit haben wir dem Spektakel hier zugestimmt. Solltet ihr aber andere Absichten verfolgen, kann ich euch nur warnen: Das Lager ist umstellt und bei dem geringsten Anlass eröffnen wir das Feuer. Guckste durch?

 

 

Der Kommandant schaut drohend in die Menge, schlurft angestrengt zu seinem Platz zurück und deutet mit einem Handzeichen an, dass die Vorstellung beginnen kann.

 

 

 

 

 

BILD 12B

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Ein Clown, geschminkt mit Mehl und Kohle, betritt die Manege. Auf seinem Bauchladen liegen große Torfstücke.

 

 

CLOWN (ruft):

 

Mooreis! Mooreis! Zehn Pfennig die Portion! Mooreis, frisch gestochen! Mooreis, nur zehn Pfennig!

 

 

Der Clown stolpert durch die Zuschauerreihen. Die Häftlinge lächeln zaghaft.

 

 

ZACHEL:

 

Hast du auch Bier dabei?

 

 

Jetzt lachen einige SS-Männer.

 

 

 

CLOWN (ignoriert den Zwischenruf):

 

Mooreis! Mooreis! Zehn Pfennig die Portion! Frisch gestochen!

 

 

Der Clown tritt ab. Ein lauter Tusch ertönt hinter dem Vorhang, gespielt von einer fünfköpfigen Schrammelkapelle (Geige, Mandoline, Mundharmonika, Gitarre, Ziehharmonika).

 

Der Vorhang öffnet sich. Ein Mann mit einem riesigen Papp-Zylinder auf dem Kopf betritt die Manege. An seiner Uniform kleben große, runde Pappstücke, auf denen "Orden" oder "Orden am Bande" zu lesen ist. Der Mann lüftet den Zylinder und macht eine tiefe Verbeugung.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI:

 

Meine sehr verehrten Moorbürger! Als Direktor Konzentrazani darf ich Sie herzlich willkommen heißen in

dieser wunderschönen Gegend! Unser Zirkus ist der größte seiner Art in Deutschland. Wir haben schon in vielen

anderen Metropolen große Erfolge gefeiert: In Esterwegen, Oranienburg und Dachau. — Erfreuen Sie sich an den

spektakulären Tier-Dressuren! Nur Esel haben wir nicht dabei, da haben wir ja hier genug von!

 

 

Nervöse Blicke unter den Zuschauern. Vereinzeltes leises Lachen.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI:

 

Börsenhyänen und Finanztiger fehlen ebenso. Aber trotzdem werden Sie staunen, staunen, staunen!

 

 

Der Direktor tritt unter verhaltenem Applaus ab.

 

 

 

 

 

 BILD 12C

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Die Schrammelkapelle hinter dem Vorhang spielt den Walzer "An der schönen blauen Donau"; nicht jeder Ton wird getroffen.

 

Truppführer Schellhorn bewegt seinen Kopf leise im Takt der Musik.

 

Die Musik endet. Zwei "dumme Auguste" stürzen in die Manege, ebenfalls geschminkt mit Mehl und Kohle.

Einer der beiden trägt ein Stück Rohr unter dem Arm, nimmt es in die Hand und richtet es auf den Kommandanten.

 

 

DUMMER AUGUST 1:

 

Guckste durch? Guckste durch?

 

 

Der Kommandant lacht laut auf, das Publikum stimmt mit ein. Zachel kippt leicht nach vorne.

 

 

DUMMER AUGUST 2:

 

Was siehst du denn?

 

 

DUMMER AUGUST 1:

 

Ich halte Ausschau nach Männern, die uns die tägliche Raucherlaubnis bringen.

 

 

DUMMER AUGUST 2:

 

Und? Siehst du irgend jemanden?

 

 

DUMMER AUGUST 1 (hält das Fernrohr immer noch auf Tangermann gerichtet):

 

Keinen Menschen seh' ich!

 

 

Der dumme August schenkt mit dem Fernrohr über das Publikum.

 

 

DUMMER AUGUST 2:

 

Und wonach hältst du jetzt Ausschau?

 

 

DUMMER AUGUST 1:

 

Nach Bonzen! Nach Kapitalisten!

 

 

DUMMER AUGUST 2:

 

Und? Hast du welche gesehen?

 

 

DUMMER AUGUST 1:

 

Nein, die laufen noch frei herum und lachen sich ins Fäustchen!

 

 

Lachen im Publikum. Abgang der beiden "Auguste". Applaus. Irritierte Blicke. Tangermann scharrt mit dem Stiefel im Sand.

 

 

 

 

 

BILD 12D

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Der Vorhang öffnet sich wieder. Drei Keulenschwinger, barfuß, mit Häftlingshose und Unterhemd bekleidet, betreten die Manege. In ihren Händen tragen sie mehrere Holzkegel, die sie sich gegenseitig zuwerfen. Sie schlagen Purzelbäume und jonglieren mit den Keulen, scheinbar ohne größere Anstrengung.

 

Ein Tusch der Schrammelkapelle ertönt. Die beiden Artisten werfen alle Kegel gleichzeitig in die Luft und flüchten dabei aus der Manege. Die Kegel fallen plump in den Sand und werden von einigen Helfern ("Saaldienern") weggeräumt.

 

Der Direktor Konzentrazani tritt auf und lüftet kurz seinen Papp-Zylinder. In den anderen Hand hält er eine Peitsche.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI:

 

Verehrte Moorbürger! Wie ich mir hab' sagen lassen, gibt es hier keine großen Tiere. Also haben wir Ihnen welche mitgebracht! — Sehen Sie nun also die große Tierschau mit Löwen, Pferden und Elefanten. Herr Kapellmeister, darf ich bitten!

 

 

Die Schrammelkapelle spielt den "Radetzky-Marsch", erneut etwas schräg. Der Vorhang öffnet sich und im Takt der Musik stolzieren die "Tiere", jeweils zwei ihrer Art und gespielt von sechs Häftlingen, in die Manege. Die "Löwen" erkennt man an den "Katzenhaaren", die mit Kohle auf die Gesichter gemalt sind; dazu ausgeschnittene Papp-Ohren an den Mützen und aufgemalte Krallen an den Fingern. Die "Elefanten" haben große Ohren aus Pappe und einen Rüssel aus zusammengerolltem Zeitungspapier. Die "Pferde" haben Papp-Masken, eine Mähne aus Zeitungsstreifen und Holzschemel als Sattel auf dem Rücken gebunden.

 

 

Der Direktor Konzentrazani lässt die Peitsche mehrmals auf den Boden knallen. Die "Löwen" knurren, brüllen und schlagen mit den Tatzen nach den Zuschauern. Das Publikum johlt! Die "Pferde" bäumen sich auf und die "Elefanten" tröten. der Direktor knallt wieder mit der Peitsche und die "Tiere" setzen ihren Marsch fort.

Sie drehen sich nun mehrmals um sich selbst.

 

Ein Peitschenknall. Je ein "Elefant", ein "Pferd" und ein "Löwe" bilden eine Pyramide. Die Zuschauer applaudieren begeistert, einige Pfiffe sind zu hören.

 

Der Direktor verneigt sich stolz.

 

 

EIN HÄFTLING (ruft mit gespielter Empörung):

 

Unverschämtheit! Was man sich hier alles bieten lassen muss mit den afrikanischen Viechern! Warum immer

die Ausländer? Wir haben doch genug deutsche Tiere!

 

 

 

WEITERE HÄFTLINGE (ebenfalls mit gespielter Empörung):

 

Ja, 'raus mit euch!

 

Aufhören!

 

Buuuuh!

 

 

 

 

 

 BILD 12E

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Hinter dem Vorhang. Richard Immenroth ist nervös und angespannt.

 

 

RICHARD (zum Kapellmeister):

 

Hoffentlich ist das nicht zu gewagt! Wenn das mal gut geht...

 

 

Der Kapellmeister nickt zuversichtlich.

 

 

 

 

 

BILD 12F

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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SS-Leute im Publikum.

 

 

TANGERMANN (zu Schellhorn):

 

Kommen Pferde eigentlich aus Deutschland?

 

 

Schellhorn stützt seinen Kopf auf eine Hand und macht eine nachdenkliche Miene.

 

Zachel hingegen schaut nur blöd in die Runde.

 

 

 

 

 

BILD 12G

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Anschluss-Szene Bild 12D. In der Manege.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI:

 

Sie sehen mich zutiefst erschrocken. Es tut mir wirklich Leid, Ihre Gefühle verletzt zu haben!

 

 

Mehrmals knallt der Direktor mit der Peitsche.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI (zu den "Tieren"):

 

Ab mit euch in Käfige! Ich kann euren Anblick nicht mehr ertragen!

 

 

Fluchtartig verlassen die sechs "Tiere" die Manege. Der Direktor verneigt sich und verlässt zu den Klängen des Schlagers "Ein Freund, ein guter Freund" den Platz.

 

 

Nach einer kurzen Pause hört man die Geige der Schrammelkapelle hinter dem Vorhang Beethovens "Neunte" spielen.

 

Im Publikum herrscht andächtige Ruhe, die Blicke sind nach innen gerichtet. Entspannte, beinahe glückliche Gesichtszüge, Entrücktheit.

 

Nach und nach stimmen auch die anderen Instrumente in die Melodie mit ein.

 

Kommandant Tangermann reibt sich verschämt die Augen.

 

Die Musik wird wieder leiser und mitten hinein in das Ausklingen der Melodie hört man die tiefe und rauhe Stimme eines Häftlings hinter dem Vorhang.

 

 

HÄFTLING (laut):

 

Liebe Gäste, voller Stolz präsentiert der 'Zirkus Konzentrazani' die Moormeisterschaft im Boxen. Der Kampf

in der Schwergewichtsklasse geht insgesamt über fünf Runden. Bevor ich Ihnen die beiden Kontrahenten

vorstelle, möchte ich zwei Personen begrüßen, ohne die der Kampf nicht stattfinden könnte. Da ist zum einen unser Ringrichter. Ihr kennt ihn alle: Applaus für Otto aus Baracke 5!

 

 

Der Vorhang geht auf. Otto betritt unter tobendem Beifall die Manege, im Mund hat er eine Trillerpfeife.

 

 

HÄFTLING (hinter dem Vorhang, laut):

 

Selbstverständlich können wir einen Boxkampf auch nicht ohne einen Ringarzt durchführen. Liebe Gäste, hier kommt er, unser Wunderheiler: Hier ist Pinnnnnseeeel!

 

 

Der Sanitäter aus der Lazarett-Baracke wird ebenfalls mit großem Applaus begrüßt. In einer Hand hält er eine Dose mit Jod.

 

 

HÄFTLING (hinter dem Vorhang, laut)

 

Kommen wir nun zu unseren Hauptakteuren. Begrüßen Sie den schwarzen Bomber aus Aachen und den weißen Tiger aus Köln: Hier sind Franz und Alfred aus Baracke 7!

 

 

Ein Tusch ertönt. Die Sportler betreten die Manege, nur mit einer Unterhose bekleidet. Franz ist am ganzen Körper mit Ruß eingeschmiert, um als "Neger" aufzutreten. Er ist um einen Kopf größer als Alfred.

 

Otto bittet die beiden zu sich. Hinter dem Vorhang ertönt ein Gong und der Kampf beginnt. Die Schläge sind spielerisch angedeutet.

 

Franz verfehlt Alfred und trifft stattdessen den Ringrichter voll auf die Nase. Otto fällt regungslos in den Sand und wird von Pinsel mit Jod "verarztet". Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung.

 

 

STIMMEN AUS DEM PUBLIKUM:

 

Otto, du schaffst das!

 

Stell' dich nicht so an!

 

(Häftlinge und SS-Leute zusammen:)

 

Pinnnsell, Pinnnsell, Pinnnsell...

 

 

Otto kommt langsam wieder zu sich. Die Kapelle spielt den "Sportpalastwalzer".

 

Gong. Nächste Runde. Alfred wird von Franz durch die Manege gehetzt. Plötzlich bleibt Alfred stehen, dreht sich um und schlägt mit einer Faust zu. Franz fällt auf den Boden und bleibt dort liegen. Otto zählt ihn an.

 

 

OTTO:

 

...acht, neun, zehn!

 

 

HÄFTLING (hinter dem Vorhang, laut):

 

Liebe Boxfreunde! Die Moormeisterschaft ist entschieden. Neuer Meister aller herrschenden Klassen ist der weiße

Tiger. Sieger durch K.O. in der fünften Runde ist unser Kamerad Alfred aus Köln!

 

 

Otto, Alfred und Franz humpeln Arm in Arm aus der Manege.

 

 

 

 

 

BILD 12H

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Zwei Kameraden in normaler Häftlingskleidung torkeln in die Manege. Einer von ihnen hält eine halb gefüllte "Schnapsflasche" in der Hand. Sie erzählen dem Publikum Witze.

 

 

KAMERAD 1:

 

Sag' mal, kennt du den: Erscheint eine Fee dem Bauern, er habe drei Wünsche frei. Der Bauer ist glücklich, er will ein Prinz sein! — Rummps! — Und er steht in einer Gala-Uniform da. — 'Ich will ein schönes Schloss haben!' —Rummps! — Er steht in einem goldenen Saal seines Schlosses! — 'Ich möchte eine schöne Frau an meiner

Seite!' — Geht die Tür auf und eine Prinzessin kommt in den Saal: 'Komm, Franz-Ferdinand, wir müssen los! Sonst

kommen wir zu spät nach Sarajewo!'

 

 

Lautes Lachen aus dem Publikum.

 

 

KAMERAD 2 (nimmt einen Schluck aus der Flasche):

 

Weißt du eigentlich, dass der Paul wieder aus dem KZ 'raus ist?

 

 

(Kamerad 1 schüttelt mit dem Kopf)

 

Hab' ihn gestern gefragt, wie das denn so war. 'Och', sagte Paul, 'eigentlich nicht schlecht. Nach dem Wecken

gab's ein ordentliches Frühstück, dann Sport, leichte Arbeit, anschließend ein kräftiges Mittagessen, danach

Ruhepause und dann wieder ein wenig Arbeit. Hinterher Duschen, Abendessen — und wer wollte, konnte dann Vorträge nhören oder einen Film sehen.' — Da hat der Bruno aber 'was ganz anderes erzählt, als der 'raus kam, erwiderte ich. 'Jaa',antwortete Paul, ' der ist aber auch schon wieder drin!'

 

 

Kamerad 1 prustet los und spuckt seinem Kumpel den "Schnaps" ins Gesicht.

 

Nur wenige Lacher unter den Häftlingen, bange Blicke. Die SS-Leute amüsieren sich.

 

Der Direktor Konzentrazani betritt die Manege, packt die beiden Kameraden unsanft am Kragen und führt sie hinaus.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI:

 

Ich bin untröstlich! (Er blickt verunsichert auf den Vorhang.) Betrunkene können einem wirklich das Leben

schwer machen.

 

 

ZACHEL (salutiert):

 

Jawoll! So is' es!

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI:

 

Vielen Dank für Ihr Verständnis! Nun aber weiter im Programm: Hier kommt der Storch!

 

 

Der Direktor verschwindet hastig hinter den Vorhang.

 

 

 

 

 

 BILD 12I

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Hinter dem Vorhang.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI (zu Richard):

 

Puh, das war knapp!

 

 

Immenroth legt ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter.

 

 

RICHARD:

 

Du hast wirklich gut reagiert!

 

 

 

 

 

BILD 12J

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Ein Kamerad betritt die Manege und hält einen Besenstiel, verhüllt mit einem Bettlaken und mit einer gelben Rübe versehen, in der Hand. Der Kamerad bewegt den Besenstiel wie eine Puppe.

 

 

PUPPENSPIELER:

 

Meine sehr verehrten Herren! Dieser 'Storch' hier verfügt über geradezu magische Kräfte. Sehen und hören Sie

selbst!

 

 

Der Puppenspieler tritt an einen Häftling in der ersten Reihe heran.

 

 

PUPPENSPIELER (fragt den "Storch"):

 

Wie viele Brote bekommt dieser Mann in der Woche?

 

 

Der Storch nickt zwei Mal.

 

 

PUPPENSPIELER (fragt den Häftling):

 

Stimmt das?

 

 

HÄFTLING:

 

Ja, leider.

 

 

 PUPPENSPIELER:

 

Dieser Storch weiß wirklich alles!

 

 

Der Puppenspieler geht zum nächsten Häftling.

 

 

PUPPENSPIELER (fragt den "Storch"):

 

Wie viele Zigaretten raucht dieser Mann hier am Tag?

 

 

Der "Storch" kippt nach hinten weg.

 

 

PUPPENSPIELER (schüttelt verständnislos mit dem Kopf):

 

Du meine Güte, so viele?

 

 

Der nächste Häftling.

 

 

PUPPENSPIELER (fragt den "Storch"):

 

Dann sag' doch mal, in welcher Baracke dieser Häftling wohnt.

 

 

Der "Storch" nickt fünf Mal. Der betreffende Kamerad klatscht zustimmend in die Hände.

 

Der Puppenspieler geht weiter und steht vor den Reihen der SS.

 

 

PUPPENSPIELER (zeigt auf SS-Mann Griesbach und fragt den "Storch"):

 

Kannst du mir die Anzahl der Kinder dieses Herren nennen?

 

 

Der Storch fängt an zu nicken: Eins, zwei, drei...

 

Einige SS-Männer beginnen nun, laut mitzuzählen:

 

 

SS-MÄNNER:

 

...vier, fünf, sechs, sieben...

 

 

ALLE SS-MÄNNER:

 

...acht, neuen, zehn ... vierzehn!

 

 

Griesbach wird rot im Gesicht, überspielt die Scham aber mit einer Siegerpose.

 

Der "Storch" verlässt unter Applaus den Platz.

 

 

 

 

 

BILD 12K

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Die Schrammelkapelle spielt einen dreifachen Tusch. Wieder betritt der Direktor Konzentrazani die Manege.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI:

 

Verehrte Anwesende! Jetzt präsentieren wir Ihnen einen besonderen Hochgenuss: Warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nahe! Sehen und staunen Sie: Vorhang auf für die unvergleichlichen Moorgirls!

 

 

Die Kapelle spielt wieder einen Tusch. Der Vorhang öffnet sich. Fünf korpulente Kameraden mit kurzen Röcken aus Hobelspänen, Büstenhaltern aus Pappe und Heidekränzchen auf dem Kopf tänzeln in die Manege.

 

Großes Gelächter, auch unter den SS-Leuten.

 

Die Kapelle spielt erneut den Donau-Walzer. Die fünf Kameraden fangen an, mit übertriebenen Gesten zu tanzen. Unbeholfene Schritte und Drehungen. Sie werfen Handküsschen in die Menge.

 

Die Kapelle spielt nun einen "CanCan". Die "Girls" haken sich ein und werfen abwechselnd und schwerfällig die Beine in die Luft. Die Kapelle hört auf zu spielen und die fünf "Girls" sinken erschöpft in den Sand.

 

 

STIMMEN AUS DEM PUBLIKUM:

 

Zugabe!

 

Weitermachen!

 

 

Die Kapelle spielt nun den Hochzeitsmarsch von Richard Wagner.

 

Die "Girls" tanzen dazu verschiedene Figuren und watscheln wie die Enten über den Platz. Die fünf Kameraden fallen sich überglücklich um den Hals und verlassen die Manege.

 

 

 

 

 

 BILD 12L

 

AUSSEN/TAG, ZIRKUS

 

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Der Direktor Konzentrazani betritt wieder die Manege und lüftet kurz seinen Zylinder.

 

 

DIREKTOR KONZENTRAZANI:

 

Sehr geehrte Herren und solche, die es noch werden wollen! Bevor wir nun zur letzten Darbietung kommen, möchte ich mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken, wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und einen guten

Nachhauseweg. Aber bevor es soweit ist, erleben Sie den herausragenden Gesangschor unter der Leitung unseres

Moordirigenten!

 

 

Vierzig Sänger marschieren diszipliniert in Häftlings-Uniform und mit geschultertem Spaten in die Manege. Sie stellen sich in Vierer-Reihen auf. Nun kommt der Dirigent dazu, in der Hand einen abgebrochenen Spatenstiel als Taktstock. Das "Moorsoldatenlied" erlebt seine Premiere.

 

 

CHOR:

 

Wohin auch das Auge blicket,

 

Moor und Heide nur ringsrum.

 

Vogelsang uns nicht erquicket,

 

Eichen stehen kahl und krumm.

 

Wir sind die Moorsoldaten

 

und ziehen mit dem Spaten

 

ins Moor. —

 

Wir sind die Moorsoldaten

 

und ziehen mit dem Spaten

 

ins Moor.

 

 

Nach der ersten Strophe summen die Kameraden im Publikum das Lied leise mit, während Kommandant Tangermann mit seinem Stiefel wieder Muster in den Sand zeichnet.

 

 

CHOR:

 

Hier in dieser öden Heide

 

ist das Lager aufgebaut,

 

wo wir fern von jeder Freude

 

hinter Stacheldraht verstaut.

 

Wir sind die Moorsoldaten

 

und ziehen mit dem Spaten

 

ins Moor. —

 

Wir sind die Moorsoldaten

 

und ziehen mit dem Spaten

 

ins Moor.

 

 

Auch bei der zweiten Strophe wird die Melodie leise mitgesummt und dann der Refrain laut mitgesungen. —

 

Es folgt die letzte Strophe des Liedes.

 

 

CHOR:

 

Doch für uns gibt es kein Klagen,

 

ewig kann's nicht Winter sein.

 

Einmal werden froh wir sagen:

 

Heimat, du bist wieder mein.

 

Dann zieh'n die Moorsoldaten

 

nicht mehr mit dem Spaten

 

ins Moor! —

 

Dann zieh'n die Moorsoldaten

 

nicht mehr mit dem Spaten

 

ins Moor!

 

 

Wieder wird der Refrain von den Kameraden im Publikum laut mitgesungen. Der Refrain wird wiederholt und alle Häftlinge singen selbstbewusst mit!

 

 

TANGERMANN (murmelt, spricht mehr zu sich selbst):

 

Dieses Lied wird sofort verboten...

 

 

Das Lied ist zu Ende. Die Sänger nehmen ihre Spaten und rammen diese in den Sand. Der Chor und der Dirigent verlassen schweigend die Manege, während die vierzig Spaten wie Grabkreuze in der Erde zurückbleiben.

 

 

 

 

 

BILD 13

 

AUSSEN/TAG, IM MOOR

 

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Die Häftlinge in den Gräben summen ihr Lagerlied während der Arbeit im Moor. Einige SS-Leute stimmen nun in die Melodie mit ein!

 

 

 

 

 

BILD 14

 

INNEN/ABEND, IN DER BARACKE 10

 

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Richard sitzt an einem Tisch, vor ihm ein Publikum aus zahlreichen Häftlingen und SS-Männern.

 

Immenroth nimmt ein Buch in die Hand. Auf dem Einband steht "Die Leiden des jungen Wérther" von Goethe. Tatsächlich aber handelt es sich bei dem Buch um das Werk "Mario und der Zauberer" des verbotenen Literatur-Nobelpreisträgers Thomas Mann, nur etwas "verkleidet".

 

 

RICHARD (liest):

 

Die Freiheit existiert, und auch der Wille existiert; aber die Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere. Sie sind frei zu ziehen oder nicht zu ziehen. Ziehen Sie aber, so werden Sie richtig ziehen, — desto sicherer, je eigensinniger Sie zu handeln versuchen.

 Man musste zugeben, dass er seine Worte nicht besser hätte wählen können, um die Wasser zu trüben und seelische

Verwirrung anzurichten. Der Widerspenstige zögerte nervös, bevor er zugriff. Er zog eine Karte und verlangte sofort zu sehen, ob sie unter den verborgenen sei. Aber wie? verwunderte sich Cipolla. Warum halbe Arbeit

tun?

 

 

Applaus.

 

 

GUSTAV (flüstert zu Richard):

 

Du traust dir ja 'was! Das ist doch nie im Leben Goethe!

 

 

RICHARD (lächelt):

 

Ja, der alte Geheimrat überrascht einen doch immer wieder!

 

 

Zwei SS-Männer kommen zu Richard an den Tisch.

 

SS-MANN 1 (zu Richard):

 

Du da! Gib' uns mal das Buch 'rüber!

 

 

Richard wird blass und übergibt das Buch.

 

 

SS-MANN 1 (blättert in dem Buch herum):

 

Ist ja gar nicht so schlecht, was der schreibt. Na, ist ja auch 'n Deutscher!

 

 

Richard sieht Gustav an und unterdrückt ein Lachen.

 

 

Der zweite SS-Mann fährt sich fahrig durch die Haare und tritt nervös von einem Fuß auf den anderen.

 

 

SS-MANN 2 (stottert ein wenig):

 

Äähm, also, — unter uns: Wenn es eure Vorträge nicht geben würde, dann hätt' ich mich schon längst tot gesoffen.

 

 

SS-Mann 1 blickt verdutzt von dem Buch auf.

 

 

SS-MANN 2 (schaut ihn an):

 

Ist doch wahr! Wir versauern hier in dieser verfluchten Gegend und machen die ganze Drecksarbeit!

 

 

Richard und Gustav schauen sich fragend an.

 

 

SS-MANN 1:

 

Ich wär' hier schon lange weg, wenn ich nicht so nötig das Geld brauchen würde!

 

 

SS-MANN 2:

 

Vor ein paar Tagen hätte ich dich dafür noch beim Kommandanten angeschwärzt!

 

 

SS-MANN 1 (zu Richard):

 

Seit eurem Zirkus ist nichts mehr so wie es war. Da seht ihr mal, was ihr angerichtet habt!

 

 

 

 

 

BILD 15

 

INNEN/NACHT, IN DER BARACKE 10

 

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Zwei SS-Leute betreten mit einem neuen Häftling die Baracke. Der auffallend korpulente Häftling trägt eine viel zu kurze Hose, die vorne offen steht; dazu Holzschuhe und auf seinem Kopf ein viel zu kleines Soldatenkäppchen.

 

 

GEORG (laut):

 

Aach-tuung!

 

 

SS-MANN (zum Häftling):

 

Hegedorn! Du fettes Schwein! Strammstehen! Und Meldung machen beim Stubenältesten!

 

 

HEGEDORN (nimmt Haltung an):

 

Ich bin der Zentrums-Bonze Wilhelm Hegedorn. Ich erbitte ein Bett, um hier schlafen zu können!

 

 

GEORG (zeigt auf ein Etagenbett und antwortet kühl):

 

Das da oben ist noch frei.

 

 

SS-MANN:

 

Dann ist ja alles geregelt.

 

(zu Georg:) Du weißt schon, wer das ist? (Der SS-Mann zwinkert dem Stubenältesten zu.) Macht mit ihm, was ihr

wollt!

 

 

Die beiden SS-Leute treten ab, die Kameraden scharen sich um Hegedorn.

 

 

EIN HÄFTLING:

 

Stimmt das? Hegedorn? Bist du nicht Wohlfahrtsminister gewesen?

 

 

Hegedorn nickt kurz, sichtlich angespannt.

 

 

ANDERE HÄFTLINGE:

 

Arbeiter-Verräter!

 

 

GEORG:

 

Ist ja gut, Leute. Lasst ihn in Ruhe.

 

 

EIN WEITERER HÄFTLING:

 

Also, ich hab' kein Mitleid mit dem... Eine Tracht Prügel hätte er schon verdient!

 

 

GEORG (warnend):

 

Keiner von euch wird ihm etwas tun. Wir sind doch nicht ie Handlanger der SS!

 

 

Zustimmendes Nicken.

 

 

GEORG (zu den Kameraden):

 

Also, sind wir uns einig? Keiner rührt ihn an.

 

(zu Hegedorn:) Wir werden Sie komplett ignorieren. Für uns sind Sie Luft!

 

 

 

 

 

BILD 16

 

AUSSEN/TAG, LAGERPLATZ

 

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Es ist später Nachmittag, nach der Arbeit im Moor.

 

Einige Häftlinge stehen auf dem Lagerplatz in Gruppen zusammen. Zwei SS-Männer führen Hegedorn über den Platz, Zachel mit einem Stock in der Hand an der Spitze.

 

Hegedorns Häftlings-Uniform ist zerfetzt, sein Gesicht geschwollen und übersät mit blutenden Wunden, sein Gang ist schwerfällig.

 

Der Politiker muss laut die "Internationale" singen.

 

 

HEGEDORN (zu den SS-Männern mit gebrochener Stimme):

 

Aber versteht doch! Ich habe die Kommunisten immer bekämpft — und dieses Lied noch nie gesungen.

 

 

ZACHEL (zynisch):

 

Hab' ich dir etwa erlaubt, hier einen Kommentar abzugeben? Du hast es immer noch nicht kapiert! Du bist ein Nichts! Auf die Knie mit dir, du Hund!

 

 

Zachel schlägt Hegedorn mehrmals mit dem Stock.

 

 

ZACHEL (zu Hegedorn):

 

So, und jetzt machst du Männchen!

 

 

Hegedorn macht, was ihm befohlen wird. Zachel nimmt den Stock und wirft ihn — in einiger Entfernung — zwischen die Häftlinge.

 

 

ZACHEL (tritt Hegedorn in den Hintern):

 

Hol' das Stöckchen!

 

 

Hegedorn tappt unbeholfen auf allen Vieren über den Platz und apportiert den Stock zwischen seinen zerschundenen Lippen.

 

 

ZACHEL:

 

Fein gemacht! Braver Hund!

 

 

Zachel schlägt Hegedorn mit dem Stock erneut auf den Rücken.

 

 

ZACHEL:

 

Hast du's jetzt kapiert? Was bist du?

 

 

HEGEDORN:

 

Ich bin ein Nichts, ich bin ein Hund.

 

 

Wieder schlägt Zachel zu und wendet sich an die zwei SS-Männer.

 

 

ZACHEL (belehrend):

 

Da seht ihr, was richtige Erziehung bewirken kann!

 

 

Die SS-Männer gehen zur Lagerstraße in Richtung Arrest-Baracke.

 

Hegedorn rappelt sich auf und läuft, so schnell er noch kann, aus dem Lagertor hinaus.

 

 

HEGEDORN (ruft wie von Sinnen):

 

Ich bin ein Nichts! Erschießt mich doch! Erschießt den Hund! Das ist kein Leben!

 

 

Zachel dreht sich um, holt seinen Karabiner hervor und schießt gezielt auf Hegedorns Beine. Hegedorn bricht zusammen und bleibt in der Nähe des Fahnenmastes liegen.

 

 

 

 

 

BILD 17

 

AUSSEN/TAG, IM MOOR

 

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Die Häftlinge arbeiten in den Gräben. Bewaffnete SS-Posten stehen nun in Gruppen zusammen und rauchen Zigaretten. Andere SS-Männer liegen in der trockenen Heide und dösen in der Sonne vor sich hin. Wieder andere plaudern und lachen miteinander.

 

Die Häftlinge schauen neugierig und verunsichert zu den SS-Leuten hinüber.

 

Truppführer Schellhorn nähert sich dem Graben, in dem Richard, Gustav, Georg und andere arbeiten. Er holt Zigaretten aus seiner Jackentasche und verteilt sie unter den Häftlingen.

 

 

SCHELLHORN:

 

Wenn ich hier weg muss, und wir uns später irgendwo auf der Straße wiedersehen sollten, dann kann ich euch doch

die Hand reichen, oder? Ich hab' mir nie etwas zu Schulden kommen lassen — und keinen von euch je

geschlagen!

 

 

Einige Häftlinge haben eine Zigarette im Mundwinkel und starren den Truppführer fragend an.

 

 

SCHELLHORN (wirft ein Feuerzeug in den Graben):

 

Ich müsst doch zugeben, dass ich ein guter Mensch bin! Wenn ihr mich nicht hättet!

 

 

Georg starrt Schellhorn wie einen Außerirdischen an, zieht an seiner Zigarette und beginnt zu husten.

 

 

SCHELLHORN (lächelt freundlich):

 

Na, das müssen wir wohl nochmal üben!

 

 

Der Truppführer reckt sich und schlägt nach einer Mücke an seinem Hals.

 

 

SCHELLHORN (zu den Häftlingen):

 

Aber jetzt hört mal zu, Männer! Ihr habt uns mit dem Zirkus und den Vorträgen ganz schön an den Karren

gefahren. Irgendwie habt ihr ja Recht. Die alten Weimarer Säcke hocken immer noch auf ihren hohen Rössern!

Die haben uns allen doch das Leben schwer gemacht! Und nun soll deren Polizei auch noch unser Lager übernehmen,

wir sind doch nicht die Fußabtreter der alten Bonzen! Wenn das der Führer wüsste!

 

 

GEORG (verschränkt die Arme):

 

Also doch! Ihr wollt euch vom Acker machen! Ihr wollt euch

davonstehlen!

 

 

SCHELLHORN:

 

Na, ist doch klar. Wenn man sich darüber beschwert, dass die Revolution nicht vorankommt, schicken sie einem gleich die Polizei auf den Hals!

 

 

GUSTAV:

 

Wenn ihr verschwindet, sollen wir uns dann selbst überwachen, bis die Polizei kommt? Oder nehmt ihr uns mit?

 

 

Die anderen Häftlinge in dem Graben lachen.

 

 

SCHELLHORN:

 

Die Häftlinge überwachen sich selbst! Da könnte man mal drüber nachdenken... Doch es wird ernst. Wenn die Polizei erst mal hier ist, dann sind wir alle dran! Deshalb sollten wir diesen Angriff zusammen abwehren. Wir

schmieden gemeinsam eine neue Front! Und wenn die Revolution uns nicht mehr braucht, dann hauen wir

zusammen ab!

 

 

Georg, Gustav und Richard schauen sich an und prusten los vor Lachen.

 

 

GEORG (legt seinen Arm auf Richards Schulter):

 

Das Leben schreibt doch die besseren Geschichten! Dagegen ist unser Zirkus ja geradezu lächerlich.

 

 

RICHARD:

 

Vor ein paar Tagen dachte ich noch, die SS würde uns hier tot prügeln, aber jetzt sollen wir uns wohl tot lachen!

 

 

GUSTAV (schnappt nach Luft):

 

Richard, hör' auf, ich kann nicht mehr!

 

 

SCHELLHORN (etwas pikiert):

 

Aber wir müssen doch gegen die Bonzen zusammenhalten, oder hab' ich euch da falsch verstanden?

 

 

GEORG (ironisch):

 

Selbstverständlich, Herr Truppführer, Sie sind herzlich dazu eingeladen, an der proletarischen Revolution

teilzunehmen.

 

 

Schellhorn geht nachdenklich zu seinen Leuten zurück. Einige SS-Männer beginnen nun damit, das Moorsoldatenlied zu summen. Dann singen sogar einzelne SS-Männer das Lied; schließlich singen alle Wachposten und Häftlinge gemeinsam.

 

 

 

 

 

BILD 18

 

AUSSEN/ABEND, LAGERSTRASSE

 

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Richard tritt mit einem Becher voll "Muckefuck" (Gersten-Kaffee) aus seiner Baracke. Er hört, wie draußen vor dem Tor mehrere SS-Leute grölen.

 

 

SS-LEUTE (off):

 

Wir scheißen auf die Bonzen-Republik!

 

 

Richard blickt durch das Lagertor. Er sieht viele grüne Mannschaftswagen der Polizei und einzelne Polizisten, die das Lager mit Ferngläsern beobachten.

 

Hastig nimmt Richard einen Schluck aus dem Becher. Immenroth beobachtet, wie mehrere SS-Leute das Inventar der Kleiderkammer auf der Lagerstraße unter lautem Fluchen zertrümmern.

 

Ein SS-Mann steht im Türrahmen der Kleiderkammer.

 

 

SS-MANN (schreit):

 

Heute ist Ausverkauf! Immer zugreifen, nehmt, was ihr wollt!

 

 

Viele Häftlinge eilen herbei. SS-Männer werfen ihnen Seife, Bettbezüge und Kopfkissen zu.

 

 

SS-MANN:

 

Aufgepasst! Hier, die beiden Schemel könnt ihr auch noch haben!

 

 

Zachel torkelt betrunken aus der Kleiderkammer mit einer Flasche Schnaps in der Hand. Er lallt unverständlich vor sich hin.

 

Das KZ befindet sich im Ausnahmezustand.

 

 

 

 

 

BILD 19

 

AUSSEN/NACHT, LAGERPLATZ

 

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Stunden später. Auf dem Lagerplatz, der ehemaligen Manege, brennt ein riesiges Feuer. Die Scheinwerfer des Lagers beleuchten die Szene. Die Flammen fressen sich durch Tische, Bänke, Schemel, Uniformen, Strohsäcke etc.

 

Unzählige Häftlinge drängen sich um das Feuer herum, viele SS-Leute stehen daneben.

 

 

TANGERMANN (brüllt):

 

Wenn unsere liebe Polizei da draußen (Tangermann zeigt in Richtung der Polizeiwagen) das Lager übernehmen will — meinetwegen! Dann haben wir eben verloren. Aber leicht machen wir es ihnen trotzdem nicht!

 

 

Mehrere betrunkene SS-Wachposten erscheinen auf dem Platz und schießen mit Maschinengewehren in die Luft. Chaos breitet sich aus. Einige Häftlinge werfen sich auf den Boden, andere suchen Schutz hinter den Baracken.

 

 

TANGERMANN (Stimme überschlägt sich):

 

Seid ihr nun total übergeschnappt? Weg mit den Waffen! Ihr bringt uns am Ende noch alle um!

 

 

SS-Mann Hans Dieter Rehm betritt den Platz. Auf dem Kopf trägt er den Papp-Zylinder aus dem Zirkus.

 

 

ZACHEL (lallt):

 

Ach, so'n Quatsch! Gib' mir 'n Gewehr — und ich klär' das schon!

 

 

Erneut sind Schüsse zu hören. Chaos. Brände.

 

 

Ein SS-Mann öffnet mit seinem Bajonett eine Holzkiste und verteilt wahllos Gewehre an SS-Leute und Häftlinge gleichermaßen.

 

Zachel schaut amüsiert zu.

 

Auch Richard und Georg bekommen ein Maschinengewehr in die Hand gedrückt. Verdutzt schauen sie sich an.

 

 

RICHARD (stottert):

 

Das glaub' ich einfach nicht. Ich werd' hier noch verrückt!

 

 

GEORG (aufgebracht):

 

Bewahr' bloß die Ruhe und schmeiß' das Ding schnell weg!

 

 

Augenblicklich lässt Richard das Gewehr in den Sand fallen. In diesem Moment ist ein Schuss zu hören. SS-Mann Rehm bricht blutend neben der Holzkiste zusammen und bleibt mit starrem Blick regungslos liegen. Der Papp-Zylinder rollt Richard vor die Füße.

 

 

Schluss-Einstellung: Das Lager ist aus der Totalen zu sehen. Die Hakenkreuzfahne hängt zerschossen am Mast.

 

 

 

 

 

 - ABSPANN -

 

 

 

 

 

Copyright 2012/2023

 

 

 

 

 

 Nachweis der verwendeten Zitate

 

 

Friedrich Schiller (1759 - 1805), "Die Künstler" (Ausschnitt), "Friedrich Schiller – Die Gedichte", Herausgegeben von Jochen Golz, Insel Verlag Frankfurt a.M. und Leipzig 1999, Seite 208

 

 

Heinrich Heine (1797 - 1856), "Die schlesischen Weber", 4. Strophe, "Heinrich Heine – Gesammelte Gedichte", Eurobuch/Eurobooks, Lechner Publishing Ltd. Limassol 1998, Seite 213

 

 

Annette von Droste-Hülshoff (1797 - 1848), "Der Knabe im Moor", 1. Strophe, zitiert aus dem Internet-Portal "Die Deutsche Gedichtebibliothek – Gesamtverzeichnis deutschsprachiger Gedichte", www.gedichte.xbib.de

 

 

"Die Moorsoldaten", Lagerlied des Konzentrationslagers Börgermoor, 1., 2. und 5.Strophe, Musik: Rudi Goguel, Text: Johann Esser und Wolfgang Langhoff; erstmals gesungen von den Häftlingen als Schlusschor für den "Zirkus Konzentrazani" am 27. August 1933.

Zitiert nach Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager, Aktionskomitee DIZ Emslandlager in der Gedenkstätte Esterwegen, www.diz-emslandlager.de

 

 

Thomas Mann (1875 - 1955), "Mario und der Zauberer", S. Fischer Verlag Berlin 1930, Taschenbuchausgabe 1979, Seite 95/ 96

 

 

 

 

 


Exposé "CIRCUS CAMPONI - A Novel Against Forgetting" - by Udo Brueckmann and Volker Hedemann

- based on a true story -

 

In May 1933, Richard Immenroth, stage director and actor from Dusseldorf, is arrested by the SS. He is suspected to be a supporter of the Communist Party and is interned in the concentration camp Borgermoor in Emsland, Germany. Together with other artists and academics, he organizes lectures and language courses in the evenings.

Due to the brutal slavery in the moorlands and the continuous humiliation by the SS, the prisoners constantly fear for their lives. The cultural activities are the only things that help them preserve their sanity and will to resist.

After a particularly terrible night, during which prisoners are cruelly maltreated, a feeling of complete resignation spreads through the camp. Even the unexpected visit of the prisoners' wives and mothers cannot improve the situation. Each and every one seems resignes to the inevitable.

Richard Immenroth and two other inmates, Georg Heuer and Gustav Rimbeck, come up with an idea that has far-reaching consequences. During the following days and weeks, the idea is put into action under extremely adverse circumstances. Much to their surprise, the camp commandant Tangermann grants permission to the "Circus Camponi" to give a performance on the center square of the camp.

The rehearsals and the organization of the project weld the prisoners together again. At the end of August, on a hot summer day, the circus show is presented in Camp Borgermoor. In the audience are not only all the prisoners, but also the SS management and guards of the camp. It is a roaring success. The participating clowns and acrobats do not spare with indirect criticism of the SS. At the end of the show the now famous "Moor Soldiers' Song" is sung for the first time. Rimbeck composed it especially for this event. Even the majority of the SS members cannot resist this emotional moment. In the aftermath, some unusual situations develop; many of the SS men take part in the reactivated evening programs. Tentative overtures are made to the inmates. Outside the camp, in the moorlands, the first cracks in the wall of discipline and order become noticeable.

As a consequence, the local police threaten to overtake command of the camp. The SS men are enraged and find themselves siding with the prisoners against the hated police.

In the end, the concentration camp, which has been overthrown by the power of culture, must be closed.

 

Historical advice: Documentation and Information Centre Emslandlager, KZ Memorial Esterwegen, State Archives Oldenburg (original documents)